Besonders durch die ISO 9001:2015 ist Wissensmanagement immer mehr Thema in Unternehmen. Und die, die über die ISO nicht drauf kommen, spüren den dringenden Beratungsbedarf durch die Digitalisierung oder auch die neuen Generationen im Unternehmen. So oder so, immer mehr Unternehmen starten zu Recht Wissensmanagement-Projekte.
Die direkten und konkreten Auslöser sind jedoch ganz unterschiedlich. Der Erfahrung nach muss dringend ein ganz bestimmtes Problem gelöst werden. Häufig sind es folgende:
- altersbedingt verlassen einige Schlüsselmitarbeiter in absehbarer Zeit das Unternehmen und es droht Wissensverlust
- es werden Aufgaben doppelt erledigt
- Mitarbeiter A weiß nicht was Mitarbeiter B macht
- das Einarbeiten von neuen Mitarbeitern dauert ewig
- Dokumente mit alten oder falschen Inhalten werden geteilt…
Kennen Sie das ???? ?
Der Workflow ist meist erstmal immer der gleiche. Aber halten wir doch das Ganze mal exemplarisch am ersten Beispiel fest: Mitarbeiter verlassen auf Grund Ihres Alters die Organisation. Nun muss das Problem zunächst konkretisiert und dessen Auswirkung auf die Firma beschrieben werden. In diesem Fall verlassen also wichtige Wissensträger im bekannten Zeitraum das Unternehmen und es droht der Verlust des Wissens dieser Mitarbeiter. Für die Organisation heißt das, dass beim Verlassen der Mitarbeiter Erfahrungswissen (implizites Wissens) verloren geht und das explizite Wissen (Regel-und Faktenwissen) nicht mehr effizient genutzt werden kann. Wo finde ich was und wer ist mein Ansprechpartner oder was brauche ich wofür sind dann zentrale Fragen, die nicht oder nicht im entsprechenden Zeitfenster beantwortet werden können. Dann geht es an die Wahl der Analysemethoden und deren Durchführung. In diesem Fall bietet sich ein klassisches Wissensmanagement-Audit an. Es erfolgt eine Identifikation von Stärken und Schwächen im Umgang mit Informationen und Wissen und im Anschluss eine Ableitung potentieller Handlungsfelder für das Wissensmanagement. In Vorbereitung auf diese Analyse wird das Shadowing angewendet. Die Arbeit in den einzelnen Bereichen wird still beobachtet und Resultate werden festgehalten. Die beobachteten Probleme werden dann im Projektteam diskutiert. Dabei ist es wichtig, dass die Defizite auch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, um ein möglichst ganzheitliches Bild des Problems zu bekommen. Dann erfolgt die Befragung von Mitarbeitern und Führungskräften. Die Ergebnisse werden ausgewertet und erste Hypothesen abgeleitet und im nächsten Schritt erfolgt eine Vertiefung in strukturierten Interviews mit ausgewählten Mitarbeitern und Führungskräften. Und nun nimmt das Projekt seinen Lauf und meistens tritt immer wieder Folgendes auf:
- das Problem geht über die eigene Abteilung hinaus
- das Problem betrifft nicht nur den Wissensaustausch und den Zugang zu Dokumenten, sondern
- es betrifft die Disziplin der Dokumentation, das Zusammenarbeiten im Team, die Kommunikation untereinander und auch die individuellen Arbeitsmethoden Dieser Beitrag wird von unseren Partnern gesponsert Wigs
Und diese Erkenntnis ist oft ernüchternd für das motivierte Projektteam. Das vorerst klar beschriebene Problem, in diesem Fall den drohenden Wissensverlust durch Mitarbeiterverlust, ist viel komplexer. Und genau das ist es aber! Wissensmanagement ist komplex, da wir uns mit solchen Projekten ganz klar im Bereich der Softfaktoren bewegen: Zusammenarbeit, Kommunikation, Vertrauen, Loyalität, Werte, Kultur und vor allem auch Führung.Bei Wissensmanagement-Projekten werden leider häufig nur Quick Wins gefordert! Klick um zu Tweeten
Leider, leider und das entspricht so gar nicht unserer Denkweise von nachhaltigen Beratungs- und Changeprojekten, werden nun häufig Quick Wins von den Auftraggebern gefordert. Die Erwartungshaltung der meisten Führungskräfte ist, dass sich die sogenannten Softfaktoren schon zum Guten wenden werden, wenn doch erst die richtige Technologie eingeführt ist. Dann noch ein bisschen Workshop hier und eine neue Methode da eingeführt und schon hat sich die ganze Sache. Sie können sich sicherlich denken, dass die Gefahr des Scheiterns hier besonders groß ist. Wissensmanagement-Projekte sind Organisationsentwicklungsprojekte und keine Technologieprojekte. Und hier liegt das Problem: Die Motivation, an dem Wissensmanagement-Projekt weiter dran zu bleiben sinkt, weil nicht klar ist, welche Bereiche ein solches Unterfangen tangiert. Bleiben wir hier bei unserem Beispiel, wird häufig nach einer kurzen Bedarfsanalyse eine passende Kollaborationssoftware eingeführt und die bald ausscheidenden Mitarbeiter und allgemein alle sollen doch jetzt bitte ihr Wissen da drin verewigen – mit gleich bleibender Arbeitszeit und zusätzlich zum Tagesgeschäft. Es liegt auf der Hand, dass diese Software eher abgestoßen als dankend angenommen wird.Wissensmanagement-Projekte sind Organisationsentwicklungsprojekte und keine Technologieprojekte. Klick um zu Tweeten
Und dennoch müssen Sie was tun! Denn das Wissen in den Köpfen der ausscheidenden Mitarbeiter braucht die Organisation in Zukunft auch weiterhin. Machen wir es also an unserem Beispiel konkret. Welche Teilbereiche betrifft der Change und was könnte zu tun sein? Die Führungskräfte haben eine zentrale Vorbildfunktion. Sie müssen Vernetzung und Zusammenarbeit fördern, eine Kultur des Vertrauens schaffen, aber auch selbst den offenen Umgang mit Wissen (vor-)leben. Das Personalmanagement muss sich überlegen, wie die Mitarbeiter motiviert werden könnten, diesen Wandel erfolgreich zu gestalten. Neben Anreizsystemen ist auch das “Mitnehmen” des Mitarbeiters enorm wichtig. Die Mitarbeiter müssen verstehen, warum dieses Projekt angegangen werden muss und was ihr konkreter Benefit auch wäre. Im Unternehmen müssen neue Arbeitstechniken eingeführt werden, um kontinuierlich unternehmenskritisches Wissen zu transferieren. Hier bieten sich besonders Communities of Practice und das Experten-Debriefing an. Außerdem muss ein wirklich sattelfestes Onboarding-Konzept aufgestellt werden. Es soll doch immer noch vorkommen, dass ein Mitarbeiter “schnell das Einarbeiten des neuen Kollegen” übernehmen soll!? Und die Mitarbeiter müssen kontinuierlich in ihren Arbeitsmethoden geschult werden. In diesem Beispiel bilden Workshops für Lessons Learned sicherlich eine gute Grundlage. Und dann ist es natürlich wichtig, dass die Organisation die neuen Technologien nutzt, die der Berater des Vertrauens vorschlägt. Denn diese erleichtern bei passenden Softfaktoren unheimlich die Zusammenarbeit und können viele noch verschlossenen Potentiale eines Unternehmens öffnen.
Die Einführung von Wissensmanagement in ein Unternehmen bedeutet eine Erweiterung der bestehenden Geschäftsprozesse. Der Erfolg eines solchen Projektes erhöht sich, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter schon von Beginn an auf die Komplexität hin sensibilisiert werden. Dann können sich alle Beteiligten überlegen, ob sie einen kurzfristigen Quick-Win erzielen möchten und an der Oberfläche kratzen oder ob sie einen wirklich sehr gewinnenden tiefgreifenden Veränderungsprozess angehen möchten.